Schlagwort: Satire

  • Kafka im Schuhladen

    Kafka im Schuhladen

    Dass man mich mal im Schuhladen sieht, geschieht schon sehr selten. In die City von Flensburg fahre ich schon gar nicht. Die Läden auf der grünen Wiese sind schon schlimm genug. Einen Schuhladen haben wir in direkter fußläufiger Reichweite. Ich also hin, meine Frau zur moralischen Unterstützung an meiner Seite. Sie hatte einige Paar Schuhe für mich ausgeguckt. Es sollten welche sein, die ich zum Straßenanzug, aber auch zu Jeans tragen konnte, wenn ich dazu ein Sakko tragen will. Die Vorauswahl meiner Frau sah optisch recht gut aus, saßen aber nicht so angenehm am Fuß. Wir entdeckten ein anderes Paar in schwarz. Das gefiel mir optisch und in der Passform. Außerdem empfand ich es von Vorteil, dass Ich darin gut laufen konnte. Da sie preislich attraktiv waren, gönnte ich mir das selbe Paar noch einmal mehr in braun. So hatte ich welche zum auswählen. Mit den beiden Paaren Schuhe in der Einkaufstasche gingen wir Richtung Heimat. Am Abend hatten wir ein Treffen, und stolz zog ich das schwarze Paar an. Der Schuh fühlte sich gut an, drückte nirgends auch nach Stunden nicht, ich war zufrieden und stolz auf meine Errungenschaft.

    Nach einigen Tagen, wir sollten zur jährlichen Eigentümerversammlung, waren die braunen dran. An dem einen bemerkte ich einen Fehler. Der Latz wurde beim Zubinden zusammengedrückt, die dadurch entstehende Falte drückte von oben auf den Fuß, was ich erst nach einigen Minuten Tragen bemerkte. Das ließ sich auch nicht durch Neu-Binden vermeiden. Also habe ich am nächsten Tag den Schuh reklamiert.

    Und hier komme ich an den Punkt, an dem ich mit der geballten Intelligenz des deutschen Einzelhandels konfrontiert wurde.

    Ich legte meinen Rucksack mit den Schuhen auf den Tresen, packte einen nach dem anderen aus. Die Verkäuferin fragt mich, was mit dem Schuh wäre. Ich erklärte, die Schuhe am Samstag vergangener Woche gekauft und gestern Abend zum ersten mal getragen zu haben. Da hätte sich gezeigt, dass der Schuh einen Fehler hätte. Diensteifrig erklärte sie mir wie auswendig gelernt, sie könne nichts machen, weil ich den Schuh ja schon getragen hätte. Ich erwiderte ihr, ich könne den Fehler ja nur feststellen, indem ich ihn trage und fügte hinzu, dass es ja auch noch so etwas gäbe wie eine gesetzliche Gewährleistungspflicht. Von meiner anscheinend unerwarteten Rhetorik beeindruckt, zuckte sie zusammen und ihre Augen suchten hektisch den großen Verkaufsraum nach der rettenden Vorgesetzten ab. Sie wurde fündig und rief die Kollegin. Mir zugewandt, sagte sie: „Wir klären das jetzt in aller Ruhe.“ Ich erwiderte: „Vielleicht ist es Ihnen noch nicht aufgefallen. Ich BIN vollkommen ruhig.“ „Ja, alles gut!“ meinte sie verlegen lächelnd und verschwand im hinteren Teil des Ladens. Die vorgesetzte Kollegin hörte sich meine Klage an. Ich schlug ihr vor, ich wollte schauen, ob ich ein gleiches Paar finde, oder etwas, was mir anstelle dieses Modells gefallen würde. Mit der jungen Dame, die ich schon kennenlernen durfte, ging ich an die Stelle wo die Herrengröße 45 zu finden war. Ich probierte einige, die sie mir vorschlug. Aber keine gefielen mir so gut wie die, die ich reklamierte. Ich also wieder zur Kasse, wo die Vorgesetzte auf mich wartete.

    Ihr erklärte ich noch einmal in Prosa, was meine Recherchen ergeben hätten und dass ich sie bitten würde, ein gleiches Paar, das hoffentlich besser gearbeitet wäre, für mich zu besorgen. Darauf einigten wir uns.

    Und nun komme ich zu dem Punkt, bei dem Kafka nur milde gegrinst hätte: Sie notierte sich meine Telefonnummer, die Schuhgröße und das Modell. Den Dialog fasse ich wie folgt zusammen.

    • Ich: „Sie besorgen mir ein neues Paar und tauschen es mir um, okay?“
    • Sie: „Ja, machen wir. Was machen wir mit diesem Paar? Möchten Sie die Schuhe mitnehmen oder gleich umtauschen?“

    Ich stutzte einen oder zwei Momente.

    • Ich: „Wie soll ich das verstehen? Sie haben das Paar nicht, besorgen es für mich, und ich kann es doch erst dann umtauschen!?“
    • Sie: „Ja, genau. Wollen Sie die Schuhe mitnehmen oder gleich tauschen?“

    Anscheinend wollte sie das Problem, das sie mir stellte, nicht sehen.

    • Ich (sie anlächelnd): „Ich weiß nicht, wie sie das meinen!“
    • Sie: „Wollen Sie die Schuhe mitnehmen oder gleich tauschen?“

    Langsam erwachte in mir der bisher erfolgreich unterdrückte Fluchtreflex.

    • Ich: „Ich verstehe immer noch nicht den zweiten Teil ihrer Frage: Wie soll ich die Schuhe gleich umtauschen, wenn Sie das Modell nicht auf Lager haben?“

    Nun war ich mir sicher, dass ich sie nicht mit meiner Problemstellung überfordert hätte.

    Als hätte sie nur diesen Textbaustein auf Abruf, erfolgte nur:

    • „Wollen Sie die Schuhe mitnehmen, oder gleich tauschen?“

    Ich gab nach und erwiderte völlig desillusioniert:

    • „Ich nehme sie mit, und sie rufen an, wenn die anderen da sind!“

    Draußen nahm ich einen tiefen Zug der erfrischenden kühlen Herbstluft, durch die es milde nieselte.